Email an den KVBB-Vorstand und das Bereitschaftsdienst-Management vom 10.02.2023

KV-Bereitschaftspraxen in Potsdam

Sehr geehrte Frau Kollegin Dr. Steiniger,
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Roßbach-Kurschat,

Die von der KVBB kürzlich angedrohte Zwangsverpflichtung zur Durchführung von Diensten in Potsdamer Bereitschafspraxen sowie das uns vorliegende Drohschreiben der KVBB an eine Kollegin, die aus gesundheitlichen Gründen einen Dienst kurzfristig nicht antreten konnte möchten wir nicht unkommentiert lassen und würden diesbezüglich gerne mit Ihnen ins Gespräch kommen.

Wie Ihnen bekannt ist, sehen wir und etliche Kollegen die Einrichtung der sog. Bereitschaftspraxis (zutreffender:Servicepraxis) insbesondere am Klinikum EvB kritisch. Hierzu gab es bereits am 12.11.2021 ein Treffen mit dem damaligen stellv.Vorstand Herrn Schwark und der Praxisbeauftragten Frau Keller. Es wurde uns damals zugesichert (Protokoll liegt vor), daß es trotz einer zweiten Bereitschaftspraxis in Potsdam nicht zu Zwangseinteilungen kommen würde, da sich genügend Ärzte freiwillig zu Diensten melden würden. Wie erwartet ist dem nun nicht so, die KVBB droht nun mit Zwangsdiensten, weil Dienste bisher nicht besetzt werden konnten.

Grundsätzlich gehören akut erkrankte Patienten in Haus-/Primärarztpraxen. Anstatt Bereitschaftspraxen zu bewerben, sollte die KVBB darauf hinwirken, daß die Patienten entsprechend gelenkt werden und nicht neu geschaffene Parallelstrukturen nutzen. Der Betrieb von zwei Bereitschaftspraxen im Abstand von 1500m ist nachweislich unwirtschaftlich und überflüssig. Wir regen an, daß zumindest eine dieser Praxen wieder geschlossen wird.

Desweiteren sehen wir nicht, daß freiberufliche, niedergelassene Ärzte mittels schlecht vergüteter Zwangsdienste zur Entlastung der Notaufnahmen bzw. als sog. Gatekeeper herangezogen werden sollten. Die Triage und ggf. Abweisung von Patienten, die erkennbar die falsche Versorgungsebene wählen, ist Aufgabe der Notaufnahmen selbst oder muß politisch reguliert werden. Wir machen dies in unseren Praxen tagtäglich und verstehen nicht, warum die Notaufnahmen dazu nicht in der Lage sein sollten. Uns ist bekannt, daß im Klinikum EvB interne Anweisungen exisitieren, alle Patienten die zu Fuß die Notaufnahme aufsuchen, zunächst in die Praxis zu schicken. Von hier werden sie dann regelhaft per Einweisung zurück in die Notaufnahme geschickt. Somit werden ineffiziente Doppelbehandlungen (und Doppelabrechnungen) generiert. Sehr interessieren würden uns die Abrechnungsmodalitäten dieser Praxis, die sich auf der Webseite des Klinikum EvB als „Hausarztpraxis mit ambulanter Notfallbehandlung“ tituliert. Wir vermuten eine Wettbewerbsverzerrung, wenn sich eine Hausarztpraxis aus Akutpatienten einer großen Notaufnahme speist. Insgesamt finden wir die räumliche und organisatorische Verquickung einer großen Notaufnahme mit einer Hausarztpraxis und einer Notfallpraxis intransparent.

Die Vergütung der Praxisdienste mit 50€ / Stunde halten wir grundsätzlich für unangemessen. Wir regen an, diese Vergütung auf einen marktüblichen Stundensatz für freiberufliche, spezialisierte Fachärzte, die hier an Wochenenden und Abend-/Nachtstunden tätig sind, anzuheben.

Daß Facharztgruppen ohne Bezug zur interdisziplinären Akutmedizin an diesen Diensten teilnehmen, halten wir für falsch und ist wohl v.a. einem Mangel an interdisziplinär ausgebildeten Primärärzten geschuldet. Die notwendige medizinische Qualität und die medizinisch und finanzielle wichtige Entscheidung, ob eine stationäre Behandlung notwendig ist oder nicht, kann von diesen nicht suffizient erbracht werden.

Die Androhung von disziplinarrechtlichen Schritten und einer Strafe von 500€ wegen Nichtantritt eines Dienstes aus gesundheitlichen Gründen unter Berufung auf die Bereitschaftsdienstordnung halten wir für inakzeptabel. Wir zweifeln an, daß dieses Vorgehen rechtlich haltbar ist. Insbesondere bei kurzfristiger Erkrankung ist nicht zumutbar, daß sich der eingeteilte Arzt selbst um eine Vertretung bemühen muß.

Ausdrücklich wünschen wir uns zeitnah einen weiteren Austausch mit Ihnen über diese Thematik.

Mit freundlichen Grüßen,

Dr. Ulrich Wüllenkemper
Dr. Marion Kurzweil
Dr. Ulrike Hackenberg
Dr. Kirsten Radtke

Verein für fachärztliche Primärmedizin in Potsdam
Vorstand